Zu wenig Fruchtwasser: Ursachen, Gefahren und Behandlung
Befindet sich während der Schwangerschaft zu wenig Fruchtwasser in der Fruchtblase der Frau, ist in der Medizin von einem Oligohydramnion oder einer Oligohydramnie die Rede. Da deswegen ein Risiko für das ungeborene Kind besteht, sollten unbedingt eine ärztliche Untersuchung und entsprechende Gegenmaßnahmen stattfinden. Ohne medizinische Betreuung drohen ernste Komplikationen.
Zu wenig Fruchtwasser während der Schwangerschaft: Die Fruchtblase
Während das ungeborene Kind während der Schwangerschaft heranreift, ist es in der Fruchtblase untergebracht, die ihm als Lebensraum bis zur Geburt dient. Eine bedeutende Rolle in diesem Lebensraum nimmt das Fruchtwasser, auch Amnionflüssigkeit genannt, ein. So liefert es dem Kind verschiedene Substanzen, die wichtig für sein Heranreifen sind. Mithilfe des Fruchtwassers kann es sich zudem frei bewegen. Auf diese Weise sind Wachstum und Aufbau der Muskeln möglich. Darüber hinaus wird das ungeborene Kind vom Fruchtwasser vor Schwankungen der Temperaturen und Stoßbewegungen geschützt.
Sowohl die Mutter als auch ihr Kind stellen das Fruchtwasser im Verlauf der Schwangerschaft selbst her. Ebenso nehmen sie das verbrauchte Fruchtwasser in sich auf. Anteil an diesem Austauschprozess haben die Plazenta der Mutter sowie Mund, Nase, Lunge und Nieren des Kindes. Das Fruchtwasser ist grau und klar. Es besteht aus:
- Wasser
- Proteinen
- Zellen
- Glukose
- Laktat
- Natrium
Aufgrund von Störungen kann es zu einer Dysbalance in der Fruchtblase kommen. Dazu gehören ein Überschuss an Fruchtwasser (Polyhydramnion) sowie ein Fruchtwassermangel (Oligohydramnion). Ein Mangel an Fruchtwasser zeigt sich allerdings nur in seltenen Fällen. So sind nur etwa 0,5 bis 4 Prozent aller Schwangerschaften davon betroffen. Bei 3 bis 5 Prozent tritt das Oligohydramnion, das auch Oligohydramnie genannt wird, im letzten Schwangerschaftsdrittel auf.
Welche Ursachen sind für einen Mangel an Fruchtwasser verantwortlich?
Die Ursachen für ein Oligohydramnion können sowohl auf die Mutter als auch auf das Kind zurückgehen. Zu den häufigsten Auslösern gehören:
- Bluthochdruck bei Mutter oder Kind
- Funktionsstörungen der Plazenta (Mutterkuchen) aufgrund von Zigarettenkonsum oder zu hohem Blutdruck
- eine Plazentainsuffizienz
- ein vorzeitig eintretender Blasensprung, der den Verlust von Fruchtwasser zur Folge hat
- Erkrankungen der ableitenden Harnwege oder Nieren beim Kind
- Defekte des Erbgutes
- unzureichendes Wachstum beim Kind
- Fehlbildungen des Urogenitaltraktes wie eine Unterentwicklung der Nieren (Nierenhypoplasie), Zystennieren oder eine Nierenagenesie, bei der die Nieren deutlich unterentwickelt sind oder gänzlich fehlen
- eine Triploidie
- eine obstruktive Uropathie
- eine neonatale Hämochromatose
Bei Zwillingschwangerschaften droht ein ungleichmäßiger Austausch des Blutes, wenn beide Kinder sich den gleichen Mutterkuchen teilen. Deswegen kann bei einem Kind, meistens dem kleineren Zwilling, eine Unterversorgung entstehen, weil es zu wenig Blut erhält.
Wie macht sich eine Oligohydramnie bemerkbar?
Durch einen Mangel an Fruchtwasser ist das Kind weniger beweglich. Die Mutter verspürt deshalb weniger Bewegungen. Grund dafür ist die schwindende Menge an Fruchtwasser. Zu den weiteren Anzeichen gehört, dass sich der Bauch der Schwangeren nur noch wenig vergrößert. Darüber hinaus gibt es erhöhte Geburtsrisiken.
Welche Gefahren bestehen durch zu wenig Fruchtwasser?
Das Oligohydramnion stellt eine bedenkliche Komplikation für das ungeborene Kind dar. Kommt es zur Geburt, ist das Kind oft wesentlich kleiner als im Normalfall. Bei einer Funktionsstörung der Plazenta droht im Extremfall sogar der Tod des Babys. Des Weiteren ist das Einklemmen der Nabelschnur durch den Fruchtwassermangel möglich. Dadurch bekommt das Kind zu wenig Sauerstoff und andere Stoffe, die wichtig sind. Vor allem vor oder während des Geburtsvorganges liegt ein erhöhtes Risiko durch eine Nabelschnurquetschung vor. So kann das Kind mitunter noch im Mutterleib Stuhl einatmen. Diese Gefahr besteht auch während der Geburt. Infolgedessen wird seine Atmung in bedenklichem Maße beeinträchtigt.
Außerdem ist das Kind wegen der Oligohydramnie während der Geburt größerem Stress ausgesetzt. Ein weiteres denkbares Risiko durch den Mangel an Fruchtwasser sind Fehlbildungen des Kindes. Dazu zählen vor allem ein Schiefhals oder ein Hackenfuß. Ist die Lunge durch das Oligohydramnion unterentwickelt, drohen nach der Geburt erhebliche Beeinträchtigungen der Lungenfunktion. Ohne eine medizinische Behandlung kann auch die Gesundheit der Mutter schwer in Mitleidenschaft gezogen werden.
Wann zum Arzt?
Während der Schwangerschaft finden in regelmäßigen Abständen ohnehin ärztliche Untersuchungen durch einen Gynäkologen statt. Dabei werden sowohl der Gesundheitszustand der Mutter als auch des Kindes sorgfältig kontrolliert. Besondere Aufmerksamkeit ist bei Mehrlingsschwangerschaften geboten. Zeigen sich außerhalb eines vereinbarten Kontrolltermins Veränderungen, die ungewöhnlich sind, sollte umgehend ein Besuch beim Arzt erfolgen. Das gilt besonders dann, wenn sich das Kind ungewöhnlich wenig bewegt. Durch einen vorzeitigen Besuch beim Arzt lassen sich meist rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen. Grund zur Panik besteht in den meisten Fällen nicht.
Wie stellt der Arzt die Diagnose einer Oligohydramnie?
Während der Schwangerschaft werden regelmäßig Ultraschalluntersuchungen (Sonographien) vorgenommen. Sie zählen zu den Routineuntersuchungen. Bei diesem Verfahren kann der Arzt feststellen, ob ein Mangel an Fruchtwasser vorliegt. Typische Hinweise auf ein Oligohydramnion stellt ein Fruchtwasserindex, der geringer ausfällt als fünf Zentimeter, sowie ein tiefstes Fruchtwasserdepot von weniger als zwei Zentimetern dar. Gleiches gilt für ein Zwei-Durchmesser-Fruchtwasserdepot, das 15 Quadratzentimeter unterschreitet. Im Normalfall bewegt sich der Fruchtwasserindex bei Werten zwischen 8 und 18 Zentimetern. Fallen die Werte geringer aus, liegt ein Oligohydramnion vor. Sind sie hingegen höher, besteht ein Polyhydramnion.
Nach einem Zeitraum von neun Wochen beträgt die Menge des Fruchtwassers in der Regel 30 Milliliter. Diese Menge sollte anschließend weiterhin kontinuierlich zunehmen. Normalerweise sind in der Fruchtblase in der 36. Schwangerschaftswoche rund zwei Liter Fruchtwasser enthalten.
Auf welche Weise wird das Oligohydramnion behandelt?
In den meisten Fällen ist ein Mangel an Fruchtwasser gut zu behandeln, sodass keine schweren Komplikationen zu befürchten sind. Dadurch lassen sich auch Fehlbildungen des Kindes vermeiden. Eine ursächliche Behandlung des Oligohydramnions ist allerdings nicht möglich, weil die Auslöser normalerweise nicht mehr rückgängig zu machen sind. Ist der Mangel an Fruchtwasser nur gering ausgeprägt, genügt es oftmals schon, dass der Mutter mehr Wasser zugeführt wird. Fällt der Verlust an Fruchtwasser größer aus, lassen sich ebenfalls gute Therapiemöglichkeiten durchführen wie die Amnioninfusion. Dabei wird das Fruchtwasser durch die Infusion wieder aufgefüllt.
Zu wenig Fruchtwasser: Ablauf einer Amnioninfusion
Im Rahmen der Amnioninfusion führt der Arzt der Fruchtwasserregion der Schwangeren durch einen Katheter oder eine Hohlnadel eine Lösung, die sich aus Kochsalz und Zucker zusammensetzt, zu. Zuvor schiebt der Mediziner den Katheter bei gleichzeitiger Kontrolle durch Ultraschall über die Bauchwand bis zur Amnionhöhle.
Vorzeitige Entbindung des Kindes
Für den Fall, dass sich der allgemeine Zustand des ungeborenen Kindes verschlechtert oder das Oligohydramnion durch eine Übertragung hervorgerufen wird, leitet der Arzt in den meisten Fällen eine vorzeitige Entbindung ein. Je nachdem in welcher Schwangerschaftswoche (SSW) sich Mutter und Kind befinden, wird zu einer Lungenreifungsinduktion geraten. Von der Höhe der SSW hängt außerdem ab, ob die Entbindung über die Vagina stattfindet oder ein Kaiserschnitt vorgenommen wird. Ein Kaiserschnitt ist dann erforderlich, wenn eine vaginale Geburt als zu gefährlich gilt oder sich nicht durchführen lässt.
Was die Schwangere selbst tun kann
Nach der Diagnose eines Fruchtwassermangels reicht es in der Regel aus, genügend Flüssigkeit aufzunehmen. Auf diese Weise wird für einen Ausgleich der Mangelerscheinung gesorgt. Ferner wird empfohlen, sich ausgewogen zu ernähren, um einem Verlust an Mineralstoffen entgegenzuwirken. Zur Vermeidung von unnötigem Stress eignen sich bewährte Entspannungsmethoden wie die progressive Muskelentspannung oder Yoga.
Nachsorge bei zu wenig Fruchtwasser
Für eine Nachsorge bestehen bei einem Mangel an Fruchtwasser nur wenige Möglichkeiten. Da keine Selbstheilung erfolgt, muss bereits bei den ersten Anzeichen einer Oligohydramnie ein Arzt aufgesucht werden. Wird der Fruchtwassermangel operativ behandelt, ist anschließend konsequente Bettruhe wichtig. Auch körperliche Anstrengung sollte vermieden werden. Nachdem das Kind zur Welt gekommen ist, bedarf es in regelmäßigen Abständen Kontrolluntersuchungen. Dadurch lassen sich eventuelle Schäden des Babys schon frühzeitig erkennen und entsprechend therapieren.
Prognose bei einem Fruchtwassermangel
Die Prognose bei einer Oligohydramnie richtet sich nach dem Ausmaß der Schwangerschaftskomplikation. Meist gelten die Aussichten als günstig. Das ist besonders dann der Fall, wenn die fehlende Fruchtwassermenge nur gering ausfällt. So erfolgt durch eine rasche Zufuhr an Wasser häufig eine Spontanheilung, wodurch Komplikationen ausbleiben. Wenngleich der Mangel an Fruchtwasser durchaus Gefahren in sich birgt, lässt sich durch moderne medizinische Maßnahmen oft erreichen, dass Mutter und Kind von schwerwiegenden Komplikationen verschont bleiben.
Bestehen Möglichkeiten, einem Oligohydramnion vorzubeugen?
Einem Mangel an Fruchtwasser wirksam vorzubeugen, ist schwierig. Allerdings tritt diese Schwangerschaftskomplikation häufig bei Frauen auf, die rauchen. Daher empfiehlt es sich, während der Schwangerschaft auf jeglichen Nikotinkonsum zu verzichten.